Nachfolgend ein Beitrag vom 26.7.2018 von Dötsch, jurisPR-MietR 15/2018 Anm. 3

Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Die klagende Partei muss bei Geltendmachung eines Teilbetrages aus mehreren selbstständigen Ansprüchen im Einzelnen angeben, wie sie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will oder mindestens die Reihenfolge angeben, in welcher die Ansprüche bis zu der von ihr geltend gemachten Gesamtsumme gefordert werden.
2. Im Prozess gegen die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ist die sog. Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses zu beachten.
3. Repräsentant ist nur, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehört, auf Grundlage eines vertretungs- oder vertretungsähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten ist und befugt ist, selbstständig in einem gewissen Umfang für diesen zu handeln.

A. Problemstellung

Die Schnittstellen zwischen WEG-Recht und Versicherungsrecht werfen in der Praxis nicht selten recht komplexe Fragen auf. Ist in den letzten Jahren vor allem die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinschaftseigentum bei der Abwicklung von Versicherungsschäden ein Thema gewesen (Überblick bei Dötsch, NZM 2018, 353), dreht sich der vorliegende Fall um Fragen der Vermögenshaftpflichtversicherung des WEG-Verwalters. Diese wird mit der zum 01.08.2018 in Kraft tretenden Reform des § 34c GewO mit den per RVO auszugestaltenden Berufszulassungsregelungen weiter erheblich an Bedeutung gewinnen – ungeachtet der Tatsache, dass die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung allein eigentlich gar nicht alle Risiken abdecken kann, die eine WEG-Verwaltung mit sich bringt und die gesetzgeberischen Bemühungen hier nicht vollends überzeugen dürften (instruktiv Armbrüster, ZMR 2018, 107). Im zu besprechenden Fall versuchte der Versicherer, sich der Regulierung zu entziehen – was die nähere Betrachtung lohnt.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin, eine WEG-Verwalterin, macht gegen den Versicherer mit einer Teilklage Ansprüche aus einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend. Die Klägerin war zuvor von einer WEG gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden und zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 14.071,44 Euro verurteilt worden. Das Amtsgericht sah es dabei als erwiesen an, dass der WEG durch pflichtwidrige Verletzung des Verwaltervertrages ein Investitionszuschuss i.H.v. 11.039,88 Euro entgangen ist. Von diesem Schaden macht die Klägerin mit der Teilklage einen Betrag von 4.004,40 Euro geltend. Zudem sei der WEG wegen pflichtwidrigen Verwalterhandelns ein Skonto i.H.v. 2.410,66 Euro entgangen. Von diesem Schaden beansprucht die Klägerin einen Teilbetrag von 874,20 Euro. Das Amtsgericht stellte weiter fest, dass es die Klägerin durch pflichtwidriges Verhalten verursacht hatte, dass der WEG Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 255,50 Euro entstanden waren – wovon mit der Teilklage ein Betrag von 92,40 Euro verlangt wird. Der Klägerin wurden im Haftungsprozess zudem die Verfahrenskosten i.H.v. 2.836,55 Euro laut Kostenfestsetzungsbeschluss auferlegt, wovon im Wege der Teilklage ein Betrag von 1.029 Euro verlangt wird. Der Versicherer verweigert die Regulierung unter Hinweis auf seine angebliche Leistungsfreiheit wegen „wissentlicher Pflichtverletzungen“, was sich aus einem Verstoß gegen sog. Kardinalpflichten in den Schadensfällen ergebe. Die Klägerin verweist darauf, dass es hier nur um Fehler angestellter Mitarbeiter ginge.
Die Klage hatte vor dem LG Wiesbaden Erfolg.
Nach Auffassung des Landgerichts ist die Klage zulässig. Die Klägerin habe wirksam Teilklage erhoben und einen hinreichend bestimmten Antrag i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gestellt. Nach der Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 02.05.2017 – VI ZR 85/16) müsse bei Geltendmachung eines Teilbetrages aus mehreren selbstständigen Ansprüchen im Einzelnen angegeben werden, wie die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt werden soll oder mindestens die Reihenfolge angegeben werden, in welcher die Ansprüche bis zu der von ihr geltend gemachten Gesamtsumme gefordert werden. Das sei hier geschehen.
Die Klage sei auch – bis auf Teile der Zinsen – begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte aus dem Vermögensschadenshaftpflichtversicherungsvertrag Anspruch auf Zahlung eines Betrages i.H.v. 6.000 Euro. Die zum Schadensersatzanspruch führende Pflichtverletzung der Klägerin stehe fest, da im Prozess gegen die Vermögensschadenshaftpflichtversicherung eine Bindungswirkung des Haftpflichtprozesses zu beachten sei (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13). Die Pflichtverletzungen ergeben sich aus den Entscheidungsgründen des amtsgerichtlichen Urteils und seien im Deckungsprozess nicht mehr zu hinterfragen. Auch die Höhe des Schadens stehe ebenfalls mit Bindungswirkung fest. Die Kosten des Verfahrens vor dem AG Freiburg stehen auch angesichts des Kostenfestsetzungsbeschlusses fest. Von dem festgestellten Schaden habe die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung der von ihr geltend gemachten Teilbeträge i.H.v. 4.004,40 Euro wegen des entgangenen Investitionszuschusses, i.H.v. 874,20 Euro wegen des Skontoabzuges, i.H.v. 92,40 Euro wegen der Rechtsverfolgungskosten der Firma und i.H.v. 1.029 Euro wegen der Verfahrenskosten.
Der Anspruch sei nicht wegen einer wissentlichen Pflichtverletzung gemäß Ziffer 4.2.5 der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen. In Ziffer 4.2.5 der Versicherungsbedingungen ist vorgesehen, dass sich der Versicherungsschutz nicht auf Ansprüche vorsätzlicher Schadensverursachung oder wegen Schäden durch wissentliches Abweichen von Gesetz, Vorschrift, Anweisung oder Bedingung des Machtgebers (Berechtigten) oder durch sonstige wissentliche Pflichtverletzungen bezieht. Die Pflichtverletzungen wurden durch die Mitarbeiter der Klägerin begangen und seien der Klägerin im Rahmen des Ausschlusses nach Ziffer 4.2.5 nicht zuzurechnen, weil sie nicht als Repräsentanten der Klägerin einzustufen seien. Nach der Rechtsprechung des BGH habe der Versicherungsnehmer für das – selbst vorsätzliche – Verhalten seines Repräsentanten wie für eigenes Verhalten einzustehen. Repräsentant sei, wer in dem Geschäftsbereich, zu dem das versicherte Risiko gehöre, auf der Grundlage eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten sei. Der Repräsentant müsse befugt sein, selbstständig in einem gewissen, nicht ganz unbedeutenden Umfang für den Versicherungsnehmer zu handeln und damit die Risikoverwaltung übernommen haben (BGH, Urt. v. 18.05.2011 – IV ZR 168/09 – NJW 2011, 3303).
Eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers der Klägerin liege nicht vor. Die angestellten Mitarbeiter der Klägerin, die die Pflichtverletzungen begangen haben, seien keine Repräsentanten, da sie aufgrund des Anstellungsverhältnisses weisungsgebunden seien. Es sei nicht erkennbar, dass diese beiden Mitarbeiter aufgrund eines Vertretungs- oder ähnlichen Verhältnisses an die Stelle des Versicherungsnehmers getreten seien und selbstständig in nicht ganz unbedeutendem Umfang für den Versicherungsnehmer handeln durften. Die beiden Mitarbeiter seien weder Geschäftsführer noch Prokuristen der Klägerin, sondern unstreitig angestellte Mitarbeiter, die in ihrem Sachgebiet weisungsgebunden Aufgaben für die Klägerin erledigten. Wissentliche Pflichtverletzungen von Mitarbeitern werden dem Versicherungsnehmer nicht zugerechnet (vgl. Veith/Gräfe/Gebert, Der Versicherungsprozess, 3. Aufl. 2016, § 20 Rn. 575), so dass es dahinstehen könne, ob die von dem AG Freiburg bindend festgestellten Pflichtverletzungen „wissentlich“ erfolgten.

C. Kontext der Entscheidung

Der Ausschluss wegen „wissentlicher Pflichtverletzung“ – formal eine Abweichung zu § 103 VVG in den AVB, die keinen Bedenken begegnet – ist gerade in den Vermögenshaftpflichtversicherungen der Notare, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte etc. ein häufig diskutiertes Problem (guter Überblick bei Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 38-72). Nach der Rechtsprechung des BGH folgt dabei aus der grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislast des Versicherers, dass dieser zwar zunächst einen Sachverhalt vorzutragen hat, der auf eine Wissentlichkeit der Pflichtverletzung des Versicherungsnehmers zumindest hindeutet (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13). Das bringt erhebliche Darlegungs- und Beweisprobleme für den Versicherer mit sich. Der Vortrag weiterer zusätzlicher Indizien ist aber nach der Rechtsprechung ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn es sich um die Verletzung „elementarer beruflicher Pflichten“ (sog. Kardinalpflichten) handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung eigentlich bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann (BGH, Urt. v. 17.12.2014 – IV ZR 90/13; vgl. zudem etwa OLG Köln, Beschl. v. 10.04.2017 – I-9 U 120/16; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.03.2017 – 12 U 141/16). Diese Fallgruppe – letztlich ein prima facie-Beweis (Anscheinsbeweis) – ist in den genannten Berufsgruppen äußerst bedeutsam und führt dazu, dass gerade bei besonders schlimmen Pflichtverletzungen nicht selten der Versicherungsschutz in Wegfall gerät – für die Opfer der pflichtwidrig handelnden Berufsträger oft eine rechte Katastrophe, weil bei solchen „Nulpen“ nicht selten auch im Privatvermögen „nichts zu holen“ sein wird.
Im Bereich der WEG-Verwalter gab es – soweit ersichtlich – dazu bisher noch keine Anwendungsfälle, so dass der Fall hier durchaus spannend und wegweisend ist. Das LG Wiesbaden muss sich vorliegend mit den Kardinalpflichten eines WEG-Verwalters – bei denen es bisher keine Fallgruppenbildung gibt – nicht auseinandersetzen. Es erkennt hier zutreffend, dass wissentliche Pflichtverletzungen von reinen Angestellten, die nicht die (engen) Voraussetzungen des sog. Status als versicherungsrechtlicher Repräsentant haben, unzweifelhaft nicht „zuzurechnen“ sind (vgl. auch Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, § 4 Rn. 40 und die Regelung zu Angestellten in § 1 Abs. 2, 3 der AVB-RSW). Soweit zu den AVB-RSB freilich heftig diskutiert wird, ob dort nicht eine Zurechnung wissentlicher Pflichtverletzungen zumindest bei nach außen hin auftretenden juristischen Mitarbeitern einer Sozietät erfolgen kann (Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, § 4 Rn. 40, § 1 Rn. 124, 124a m.w.N.), wäre das übertragen auf WEG-Verwaltungen in Form juristischer Personen schnell kritisch, weil man dann auch die nach außen hin auftretenden „Macher“ zurechnen könnte. Ist aber schon eine generelle Zurechnung unter Sozien einer Rechtsanwaltskanzlei bedenklich und die Anwendung der Repräsentantenhaftung auch generell fraglich (BGH, Urt. v. 18.05.2011 – IV ZR 168/09 – VersR 2011, 1003), wird man sich entspannter zurücklehnen können. Etwaige Verschärfungen in AVB wären zudem schnell mit Blick auf § 307 BGB unwirksam (Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, § 4 Rn. 40, § 1 Rn. 124, 124a m.w.N.).
Ganz entspannen dürfen die Organe der juristischen Personen sich aber ausdrücklich nicht: Wer die Augen verschließt und arglistig seinen „Drecksladen“ gar nicht organisiert, wird (irgendwann) auch die Schwelle der wissentlichen Pflichtverletzung erreichen. Deutlich härter ist die o.a. Rechtsprechung bei „Einzelkämpfern“, die die elementaren Berufspflichten des WEG-Verwalters – was auch immer das sein soll – zwingend zu beachten haben; andernfalls droht schnell das Aus. Zu beachten ist auch, dass bei der wissentlichen Pflichtverletzung kein Vorsatz für den Schadenseintritt vorausgesetzt wird: Wer zum vermeintlichen Wohle der WEG von Weisungen abweicht, begeht so schon eine wissentliche Pflichtverletzung (vgl. für Rechtsanwälte auch Diller, Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwälte, § 4 Rn. 43, 51 m.w.N.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Kardinalpflichten sind m.E. nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit den groben Pflichtverstößen i.S.d. § 49 Abs. 2 WEG. Wie gesagt liegen aber keine näheren Fallgruppenbildungen vor. Die Entscheidung hier wird den ein oder anderen Versicherer aber u.U. auf den Kriegspfad treiben – die Sache bleibt spannend!

Vermögensschadenshaftpflichtversicherung: Angestellte Mitarbeiter keine Repräsentanten des Verwalters im Rahmen der Wissenszurechnung
Andrea KahleRechtsanwältin

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