Nachfolgend ein Beitrag vom 10.1.2019 von Schwartz, jurisPR-VersR 1/2019 Anm. 5

Orientierungssatz zur Anmerkung

Zur Darlegungslast des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Umstände, die sich bei durchgeführter Reparatur zeitwerterhöhend auswirken würden.

A. Problemstellung

Die Berufungsentscheidung des OLG Bamberg befasst sich u.a. mit der Frage, ob die Wiederherstellungsklausel in den Bedingungen des Feuerversicherers dem Ersatz von Reparaturkosten deswegen entgegensteht, weil der Versicherungsnehmer keine Angaben zu den Zeitwerten einzelner Schadenspositionen gemacht hat. Das Oberlandesgericht differenziert insoweit zwischen zeitwertunabhängigen Reparaturen und solchen, die geeignet sind – abhängig von Alter und Erhaltungszustand des Gebäudes –, werterhöhend zu wirken.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Gegenstand der Berufungsentscheidung sind Ansprüche des Klägers (Versicherungsnehmer) aus einer Feuerversicherung wegen eines Brandschadensereignisses. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es u.a. angenommen, es fehle an einer hinreichenden Sicherstellung der Wiederherstellung. Im Hinblick auf die Wiederherstellungsklausel in den ABB bedürfe es daher zwingend der Angabe eines Zeitwertes hinsichtlich aller Schadenspositionen durch den Kläger zur Entschädigungsberechnung. Daran fehle es.
Die Berufung des Klägers gegen den beklagten Feuerversicherer erachtet der Senat für teilweise begründet. Nicht zu beanstanden sei die Würdigung des Landgerichts, es fehle an einer hinreichenden Sicherstellung der Verwendung der Entschädigung binnen der Dreijahresfrist, § 59 Abs. 2 ABB. Es mangele bereits an einer nachvollziehbaren Aufstellung der noch durchzuführenden Arbeiten in Verbindung mit der Darstellung deren sichergestellter Umsetzung. Kostenvoranschläge seien offensichtlich ungeeignet, die Durchführung der Wiederherstellung zu belegen oder sicherzustellen. Allein der Umstand, dass der Kläger innerhalb von drei Jahren nach dem Brand mit der Sanierung begonnen habe, biete keine hinreichende Gewähr für die sichere Durchführung der Renovierungsarbeiten.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts bedürfe es jedoch nicht zwingend der Angabe eines Zeitwertes hinsichtlich aller Schadenspositionen. Basis der Entschädigungsberechnung seien nach § 51 Abs. 1 Satz 1 ABB die Wiederherstellungskosten, die durch den Zeitwert des Gebäudes lediglich begrenzt würden. Es sei sicher davon auszugehen, dass die Summe der Reparaturarbeiten von 13.920,16 Euro entsprechend dem Gutachten vom 28.08.2017 nicht den Zeitwert des Gebäudes übersteige. Fraglich sei allein, ob durch die Reparaturarbeiten eine Erhöhung des Zeitwertes des Gebäudes eintrete, welche die Beklagte zur anteiligen Kürzung der Entschädigung berechtigen würde. Dies könne hinsichtlich der Reinigungsarbeiten, der Reparatur beschädigter Fenster, der Koordinierungsarbeiten, der Baustelleneinrichtung, der Trocknung, des Stroms und der Abdeckarbeiten ausgeschlossen werden. Hingegen seien die Arbeiten in Verbindung mit der Erneuerung des Putzes, der Elektroinstallation sowie verschiedener Anstriche grundsätzlich geeignet, abhängig vom Alter und Erhaltungszustand des Gebäudes, werterhöhend zu wirken. Der Kläger habe jedoch bis zuletzt nicht zu den für die Feststellung einer eventuellen Zeitwertbegrenzung erforderlichen Umständen vorgetragen, so dass die von dem Sachverständigen für diese Positionen angesetzten Werte nicht zu berücksichtigen seien.

C. Kontext der Entscheidung

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des OLG Bamberg, demzufolge Basis der Entschädigungsberechnung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 ABB die Wiederherstellungskosten sind, die mangels Sicherung der Wiederherstellung durch den Zeitwert begrenzt werden. Insofern enthalten die ABB (Allgemeine Brandversicherungsbedingungen der Bayerischen Landesbrandversicherung AG) in § 59 eine Wiederherstellungsklausel. Danach erwirbt der Versicherungsnehmer bei der Neuwertversicherung den Anspruch auf den Teil der Entschädigung, der die Zeitwertentschädigung übersteigt (Neuwertspitze), nur, soweit er innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen. Vergleichbare Regelungen zur Neuwertspitze enthalten die VGB 2010 in A. § 13 Nr. 7, die AFB 2010 in A. § 8 Nr. 2, und die AFB 87 in § 11 Nr. 5. Rechtstechnisch handelt sich dabei um eine objektive Risikobegrenzung (Günther, jurisPR-VersR 6/2016 Anm. 2). Zweck der Widerherstellungsklausel ist es, die Bereicherung durch die Neuwertentschädigung auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die ungeplanten, dem Versicherungsnehmer erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (BGH, Urt. v. 20.07.2011 – IV ZR 148/10 Rn. 16).

D. Auswirkungen für die Praxis

In dem Fall des OLG Bamberg ging es nicht um den Ersatz der Wiederherstellungskosten für ein vollständig zerstörtes Gebäude, sondern um Reparaturkosten wegen teilweiser Beschädigung. Der BGH hat hinsichtlich der Neuwertklausel in den AFB 87 bereits entschieden, dass sich diese sowohl auf die Alternative der vollständigen Zerstörung des versicherten Gebäudes als auch auf die teilweise Beschädigung beziehe (BGH, Urt. v. 24.01.2007 – IV ZR 84/05 Rn. 11). Der BGH hat dies mit dem Wortlaut der Neuwertklausel in § 11 Nr. 5 AFB 87 begründet. Dieser spreche nur von der „Entschädigung“ und umfasse damit beide Alternativen. Weder nach dem Sinn noch nach dem Wortlaut dieser Klausel komme es darauf an, ob das versicherte Gebäude total zerstört oder nur beschädigt worden sei. Der Wiederherstellungsvorbehalt sei daher auch auf den Fall der Geltendmachung von Reparaturkosten bis zur Höhe des Neuwertes anzuwenden. Es sei nicht einzusehen, warum der Versicherungsnehmer bei vollständiger Zerstörung des Gebäudes die Neuwertspitze erst nach Sicherung der Wiederherstellung verlangen könne, wenn er bei fast vollständiger Zerstörung, die aber nur als Beschädigung anzusehen sei, auch die den Zeitwertschaden übersteigenden Reparaturkosten ganz unabhängig von einer Wiederherstellung verlangen könnte.
Die Wiederherstellungsklausel hat aber auch danach nicht zur Folge, dass im Fall der Beschädigung fiktive Reparaturkosten, die den Zeitwert nicht übersteigen, deshalb gekürzt werden könnten, weil die Reparatur im Falle ihrer Durchführung (zeit)werterhöhend wäre. Dies ergibt sich daraus, dass die Wiederherstellungsklausel auf einen Vergleich zwischen dem bedingungsgemäß definierten Neuwert des (Gesamt-)Gebäudes einschließlich Architekten- und Planungskosten und dem Zeitwert des Gesamtgebäudes abstellt und nicht auf einzelne Reparaturmaßnahmen (vgl. A § 7 Nr. 1 a i.V.m. A § 8 Nr. 2, 3 AFB 2010; § 11 Nr. 5 AFB 87 i.V.m. § 5 Nr. 1 a AFB 87 bzw. A § 10 b, c VGB 2010 i.V.m. A. § 13 Nr. 7 VGB 2010). Aus diesem Grund enthalten die AFB 2010 zum Zeitwertschaden die ergänzende Regelung, dass bei beschädigten Sachen die Kosten einer Reparatur um den Betrag gekürzt werden, um den durch die Reparatur der Zeitwert der Sache gegenüber dem Zeitwert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls erhöht würde (A § 8 Nr. 3 a, S. 2 AFB 2010; vgl. auch VGB 2010 A. § 13 Nr. 7 S. 3). Die Regelung stellt klar, dass der Versicherer die Reparaturkosten kürzen kann, wenn die Reparatur im Falle ihrer Durchführung zu einer Erhöhung des unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalls gegebenen Zeitwertes führen würde. Der Versicherer kann dann die Ersatzleistung um diesen fiktiven Erhöhungsbetrag kürzen (BGH, Urt. v. 24.01.2007 – IV ZR 84/05 Rn. 13, zu den AFB 87 § 11 Nr. 5 Abs. 2 S. 2). Diese für den Versicherungsnehmer nur schwer verständlichen Ergänzungen sind gerade deshalb erforderlich, weil die eigentliche Widerherstellungsklausel eine Kürzung fiktiver Reparaturkosten unterhalb des Zeitwertschadens gerade nicht rechtfertigt.
Die Allgemeinen Brandversicherungsbedingungen ABB, welche dem streitgegenständlichen Vertrag zugrunde liegen, enthalten eine vergleichbare Regelung in § 59 jedoch gerade nicht. Dort ist lediglich bestimmt, dass der Versicherungsnehmer bei der Neuwertversicherung einen Anspruch auf den Teil der Entschädigung, der die Zeitwertentschädigung übersteigt (Neuwertspitze), nur erwirbt, soweit er innerhalb von drei Jahren sichergestellt hat, dass er die Entschädigung verwenden wird, um Gebäude gleicher Art und Zweckbestimmung wiederherzustellen.
Soweit das OLG Bamberg hierzu die Ansicht vertritt, der Kläger sei verpflichtet, Einzelheiten zu den für die Feststellung einer eventuellen Zeitwertbegrenzung erforderlichen Umständen vorzutragen, ist dies daher nicht gerechtfertigt. Insbesondere kommt es hinsichtlich der Wiederherstellungsklausel entgegen dem OLG Bamberg nicht darauf an, ob einzelne Wiederherstellungsarbeiten grundsätzlich geeignet sind, abhängig vom Alter und Erhaltungszustand des Gebäudes, werterhöhend zu wirken, sofern die Reparaturkosten insgesamt nicht die Zeitwertentschädigung übersteigen. Davon war aber angesichts der geringen Höhe der streitgegenständlichen Reparaturkosten auszugehen, wie das OLG Bamberg zutreffend erkennt.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Soweit das Erstgericht die Klageabweisung auf eine Obliegenheitsverletzung wegen unrichtiger Angaben zum Schadenshergang gestützt hatte, geht das Oberlandesgericht zutreffend davon aus, dass dieses durch die Feststellungen nicht getragen werde: Soweit das Landgericht die Leistungsfreiheit auf widersprüchliche oder unzutreffende Angaben des Klägers im Hinblick auf die exakte Lagerung des Holzes neben dem Ofen stütze, sei bereits nicht nachvollziehbar, dass dieses gemäß § 43 Abs. 2 ABB für die Feststellung der Leistungspflicht erheblich sei, nachdem nach den polizeilichen Feststellungen eher davon auszugehen sei, dass auf dem Ofen befindliche Holzscheite in Brand geraten seien. Die Kausalität sei auch nicht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VVG entbehrlich, da ein Nachweis arglistigen Verhaltens des Klägers nicht geführt sei. Soweit der Kläger im Hinblick auf die Entstehung des Brandes verschiedene Sachverhalte angeführt habe, habe es sich ersichtlich nicht um Vortrag von Fakten gehandelt, der zur Beeinflussung des Regulierungsverhaltens der Beklagten bestimmt gewesen sei.

Entschädigungsleistung bei fiktiver Erhöhung des Zeitwertes in der Feuerversicherung
Andrea KahleRechtsanwältin

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