Nachfolgend ein Beitrag vom 31.8.2016 von Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 35/2016 Anm. 6

Leitsatz

Das Verlangen des Arbeitgebers nach der versicherungsförmigen Lösung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG kann bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arbeitnehmers wirksam erklärt werden. Erforderlich ist jedoch, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Arbeitnehmer und bei der Versicherung bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer konkret bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht.

A. Problemstellung

Das BAG hatte im Rahmen einer Klage auf Zahlung einer betrieblichen Berufsunfähigkeitsrente, die über eine Direktversicherung zugesagt war, zu prüfen, ob der Arbeitgeber bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Ausübung seines gesetzlichen Wahlrechtes zugunsten der sog. „versicherungsvertraglichen Lösung“ (§ 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG) und Überlassung des Versicherungsvertrages schuldbefreiend das zum Mitarbeiter bestehende Versorgungsverhältnis beendet hat.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Scheidet ein Mitarbeiter, dem eine betriebliche Altersversorgung zugesagt worden ist, vor Eintritt eines Versorgungsfalls aus dem Unternehmen aus, so behält er nach Erfüllung der gesetzlichen Fristen seine Anwartschaft (§ 1b BetrAVG). Die Höhe dieser Anwartschaft ergibt sich grundsätzlich für alle fünf im Betriebsrentengesetz (BetrAVG) normierten Durchführungswege nach dem in § 2 Abs. 1 BetrAVG geregelten Quotierungsverfahren. Danach hat der Arbeitgeber bei Eintritt des Versorgungsfalls eine im Verhältnis tatsächlicher zu bis Rentenbeginn möglicher Dienstzeit quotierte Versorgungsleistung zu erbringen.
Für Direktversicherungen sieht § 2 Abs. 2 BetrAVG neben diesem ratierlichen Berechnungsverfahren alternativ eine versicherungsvertragliche Abwicklung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft vor. Nach dieser sog. versicherungsvertraglichen Lösung kann der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich der im Gesetz vorgesehenen Erfüllung bestimmter „sozialer Auflagen“, auf Verlangen des Arbeitgebers auf die vom Versicherer aufgrund des Versicherungsvertrages zu erbringende Versicherungsleistung verwiesen werden.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG ist hierfür bei einer Direktversicherung erforderlich, dass

• spätestens nach drei Monaten seit dem Ausscheiden des Arbeitnehmers das Bezugsrecht unwiderruflich ist und eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Versicherungsvertrages (Beleihung, Verpfändung, Abtretung) durch den Arbeitgeber rückgängig gemacht worden ist und auch keine Betragsrückstände vorliegen,
• vom Beginn der Versicherung, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit an, nach dem Versicherungsvertrag die Überschussanteile ausschließlich nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet worden sind und
• der ausgeschiedene Arbeitnehmer nach dem Versicherungsvertrag das Recht zur Fortsetzung der Versicherung mit eigenen Beiträgen hat.

Im vorliegend entschiedenen Fall war die betriebliche Altersversorgung über eine Betriebsvereinbarung geregelt, die hinsichtlich der Behandlung unverfallbarer Versorgungsanwartschaften eine Regelung enthält, wonach eben diese versicherungsvertragliche Lösung zur Anwendung kommen sollte. Darüber wurde die Klägerin auch im Rahmen einer Standmitteilung des Arbeitgebers über die betriebliche Altersversorgung im Frühjahr 2007 schriftlich informiert. Darüber hinaus hatte der Arbeitgeber vorgetragen, die Klägerin anlässlich der Umsetzung eines mit dem Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleichs und Sozialplans und der dadurch bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich über die Durchführung der versicherungsvertraglichen Lösung informiert zu haben. Den Zugang dieses Schreibens hat die Klägerin bestritten.
Das BAG hat diesen Fall zum Anlass genommen, die Anforderungen an die gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung der versicherungsvertraglichen Lösung zu präzisieren:
Bei dem Verlangen des Arbeitgebers handelt es sich um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die ausdrücklich sowohl gegenüber dem ausgeschiedenen Mitarbeiter als auch gegenüber dem Versicherer abzugeben ist. Ihre Wirksamkeit tritt erst mit Zugang beim Erklärungsempfänger ein.
Das entsprechende Verlangen kann im Zusammenhang mit einer Kündigung ausgesprochen oder in einem Aufhebungsvertrag vereinbart werden. Sie kann aber auch bereits vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wirksam erklärt werden. Erforderlich ist jedoch, dass zum Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung beim Arbeitnehmer und bei der Versicherung bereits ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einer konkret bevorstehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht. Die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses muss also bei Abgabe der Erklärung zumindest unmittelbar bevorstehen.
Diese Erklärung, die im Rahmen einer vom Gesetzgeber eingeräumten Frist von drei Monaten nach dem Ausscheiden abzugeben ist, kann allerdings nicht durch eine entsprechende Regelung in einer Betriebsvereinbarung ersetzt werden. Das Gesetz erfordert nämlich eine Erklärung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer. Daran fehlt es insoweit bei einer Regelung in einer Betriebsvereinbarung. Eine Betriebsvereinbarung enthält nämlich keine Willenserklärung gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern, sondern beinhaltet Rechtsnormen. Zudem sind Regelungen in einer Versorgungsordnung allenfalls geeignet, die Zulässigkeit einer entsprechenden Erklärung zu regeln, nicht aber das Verlangen selbst zu ersetzen.
Die Wirksamkeit der versicherungsvertraglichen Lösung setzt zudem unter dem Aspekt der Rechtssicherheit voraus, dass der Arbeitnehmer Klarheit hinsichtlich der konkret betroffenen Versicherung hat. Nur dann nämlich ist er überhaupt in der Lage, die Versicherung mit eigenen Beiträgen fortzuführen, wie es § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BetrAVG vorsieht. Der Arbeitnehmer muss deshalb bei Zugang des Verlangens des Arbeitgebers ohne Weiteres und ohne dass es weiterer Erkundigungen seinerseits bedarf, die erforderlichen Versicherungsdaten wie Versicherungsgesellschaft und Versicherungsvertragsnummer erfahren können. Das kann etwa über einen Anschlag am schwarzen Brett oder eine Mitteilung im Intranet geschehen; die Möglichkeit, sich die Daten bei der Personalabteilung zu verschaffen, reicht hingegen nicht.
Darüber hinaus hat das BAG weitere Hinweise gegeben, die bei der Umsetzung der versicherungsvertraglichen Lösung zwingend zu beachten sind:
Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG ist das Verlangen der versicherungsförmigen Lösung auch dem Versicherer gegenüber zu erklären. Deshalb muss dem Versicherer bei Ablauf der im Gesetz festgelegten Frist von drei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bekannt sein, dass der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet oder bereits ausgeschieden ist und der Arbeitgeber die versicherungsförmige Lösung gewählt hat. Allein die Tatsache, dass bereits im Kollektivversicherungsvertrag gegenüber dem Versicherer die versicherungsförmige Lösung verlangt worden ist, hat das Gericht noch nicht als ausreichend betrachtet.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BetrAVG müssen die Überschussanteile nach dem Versicherungsvertrag vom Beginn der Versicherung an, frühestens jedoch vom Beginn der Betriebszugehörigkeit an, nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden. Dies erfordert, dass die Überschussanteile vollständig zugunsten des Arbeitnehmers verwendet werden müssen. Werden auch nur geringe Überschussanteile anders verwendet, etwa zur Beitragssenkung durch Verrechnung der Überschussanteile mit den Versicherungsbeiträgen, ist die Wahl der versicherungsförmigen Lösung unzulässig. Danach ist die versicherungsvertragliche Lösung bei einer sog. Sofortgewinnverrechnung (vgl. Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, Rn. 432) oder bei Gruppen- bzw. Kollektivverträgen ausgeschlossen, bei denen der Versicherer mit technischen Durchschnittsprämien kalkuliert, da in diesen Fällen keine individualisierbaren Überschussanteile anfallen, die dem einzelnen Versorgungsberechtigten zugerechnet werden können. Bei derartigen Vertragsgestaltungen sind die Überschussanteile bereits bei der Berechnung der Durchschnittsprämie verbraucht worden (Langohr-Plato, Betriebliche Altersversorgung, Rn. 433). Eine Verrechnung der Überschussanteile mit den fälligen Beiträgen dient nicht der Verbesserung der Versicherungsleistung, sondern kommt ausschließlich dem Arbeitgeber zugute.

C. Kontext der Entscheidung

Das BAG verschärft mit dieser Entscheidung die Anforderungen an die versicherungsvertragliche Lösung deutlich, indem es die bislang in der Praxis übliche Vereinbarung dieser Lösung mittels einer sog. „aufschiebenden Bedingung“, die bereits bei Erteilung der Versorgungszusage vorweggenommen wird, für unwirksam erklärt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Ausführungen des Gerichts zur Direktversicherung sind 1:1 auf die bei Pensionskassen nach § 2 Abs. 3 BetrAVG ebenfalls mögliche versicherungsvertragliche Lösung zu übertragen.
Konsequenz ist, dass Arbeitgeber, die bei den Durchführungswegen der Direktversicherung oder Pensionskasse die versicherungsförmige Lösung wählen wollen, in jedem konkreten Einzelfall eine entsprechende Erklärung unter Wahrung der gesetzlichen Frist gegenüber dem betroffenen Mitarbeiter sowie im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeben müssen. Aus Gründen der Beweissicherung sollte dies schriftlich und mit Bestätigung des Mitarbeiters erfolgen. Die entsprechende Quittung ist dann fristgerecht an den Versicherer bzw. die Pensionskasse zu senden und anschließend im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist (= 30 Jahre ab Eintritt des Versorgungsfalls) zu verwahren.