Nachfolgend ein Beitrag vom 11.5.2016 von Zimmermann/Kallhoff, jurisPR-ArbR 19/2016 Anm. 4

Leitsatz

Ein Tisch mit Stühlen, der im Lagerraum aufgestellt ist, stellt keinen Sozialraum i.S.v. § 6 ArbStättV dar.

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Videoüberwachung durch den Arbeitgeber in einem Lagerraum mit Sozialbereich ist nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zum Zweck der Diebstahlsaufklärung zulässig.

A. Problemstellung

Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist ein umstrittenes Thema. Den rechtlichen Rahmen bilden das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer.
Das ArbG Oberhausen hat jüngst entschieden, dass die Videoüberwachung durch den Arbeitgeber in einem Lager mit Sozialbereich zur Diebstahlsaufklärung zulässig ist. Damit hat es im Rahmen der bei § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG gebotenen Interessenabwägung das Interesse des Arbeitgebers an der Diebstahlsaufklärung höher bewertet als die mögliche Persönlichkeitsrechtsverletzung der Arbeitnehmerin.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin warf ihrem Arbeitgeber, dem Betreiber eines Fanshops eines Fußballvereins, vor, er mache im Sozialraum in unzulässiger Weise Videoaufnahmen. Bei dem Raum handelt es sich um einen Lagerraum, der neben Verkaufsware, organisatorischen und technischen Einrichtungen sowie zwei Tresoren einen Sitzbereich enthält. Dieser Sitzbereich, bestehend aus einem Tisch und Stühlen, wurde von den Mitarbeitern für Pausen und kurze Unterhaltungen sowie von dem Filialleiter für die Erledigung verschiedener Arbeiten genutzt.
Von der in dem Lagerraum angebrachten Videokamera wurden in erster Linie die beiden Tresore erfasst, in denen sich stets hohe Summen Bargeld befinden.
Die Arbeitnehmerin machte Ansprüche auf Unterlassung der Videoüberwachung, Auskunft über gespeicherte Daten und deren Löschung sowie Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend. Sie trug vor, der Arbeitgeber sei nicht berechtigt, sie während des Aufenthalts in dem von ihr als Sozialraum bezeichneten Lagerraum zu filmen.
Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, es handele sich nur um einen Sitzbereich und keinen Sozialraum i.S.v. § 6 ArbStättV. Die Videoüberwachung sei nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG zulässig. Sie beschränke sich auf die Türen des Lagerraums sowie die darin befindlichen Tresore und diene dem Schutz des Eigentums. In letzter Zeit seien in anderen Fanshops große Summen Bargeld entwendet worden.
Das ArbG Oberhausen hat die Klage abgewiesen. Der Arbeitnehmerin stehe kein Anspruch aus den §§ 1004 i.V.m. 823 Abs. 1 BGB gegen ihren Arbeitgeber auf Unterlassung der Videoüberwachung zu.
Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, dass es sich bei dem von der Arbeitnehmerin als Sozialraum bezeichneten Raum nicht um einen Sozialraum im Sinne des Gesetzes handele, sondern lediglich um einen Lagerraum mit Sozialbereich. Der Arbeitgeber sei auch nicht nach § 6 Abs. 3 ArbStättV verpflichtet, einen Sozialraum oder einen Pausenbereich einzurichten, denn er beschäftige weniger als neun Mitarbeiter.
Die Arbeitnehmerin habe im Übrigen als Teilzeitbeschäftigte gar kein Recht, sich während der Arbeitszeit in dem Sitzbereich aufzuhalten, da sie nicht nach § 4 Satz 1 ArbZG berechtigt sei, eine Ruhepause durchzuführen.
Ein Anspruch der Arbeitnehmerin gegenüber ihrem privaten Arbeitgeber auf Auskunft über die zu ihrer Person erhobenen Daten nach § 19 BDSG bestehe ebenfalls nicht. Dieser Anspruch richte sich nach § 12 Abs. 1 und 2 BDSG allein an öffentliche Stellen des Bundes und der Länder.
Ferner wies das Arbeitsgericht einen Anspruch der Arbeitnehmerin auf Löschung etwaiger von ihr erhobener Daten nach § 6b Abs. 5 BDSG ab, da es sich bei dem Lagerraum um keinen öffentlich zugänglichen Bereich handele.
Mangels rechtswidrigen Eingriffs bestehe auch kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

C. Kontext der Entscheidung

Bei der Videoüberwachung am Arbeitsplatz ist zwischen der Überwachung öffentlicher und nicht öffentlicher Räume sowie dem offenen und dem verdeckten Einsatz von Videokameras zu unterscheiden.
Bei der sichtbaren Videoüberwachung am Arbeitsplatz in nicht öffentlich zugänglichen Räumen hat das BAG im Hinblick auf die mögliche Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Arbeitnehmer besondere Anforderungen entwickelt, vor allem wegen des bei einer dauerhaften Überwachung entstehenden Anpassungsdrucks. Danach ist bei der gebotenen Abwägung u.a. zu berücksichtigen, wie viele Personen Beeinträchtigungen welcher Intensität ausgesetzt sind und ob diese Personen hierfür einen Anlass gegeben haben, ob sie anonym bleiben, wo die Überwachungsmaßnahmen stattfinden, wie lange und intensiv sie sind und welche Technik dabei eingesetzt wird (BAG, Beschl. v. 29.06.2004 – 1 ABR 21/03, m.w.N.).
Videoüberwachung in Bereichen, die überwiegend der privaten Lebensgestaltung der Mitarbeiter dienen, ist danach grundsätzlich unzulässig. In Bereichen wie Sanitär-, Umkleide- und Schlafräumen überwiegt grundsätzlich der Schutz der Intimsphäre.
Besonders strenge Grundsätze hat das BAG für die verdeckte Videoüberwachung in nicht öffentlichen Räumen aufgestellt: Sie ist nur zulässig, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung gegenüber bestimmten Arbeitnehmern besteht und die verdeckte Videoüberwachung verhältnismäßig ist, vor allem keine weniger einschneidenden Mittel zur Aufklärung des Verdachts zur Verfügung stehen (BAG, Beschl. v. 26.08.2008 – 1 ABR 16/07, m.w.N.).

D. Auswirkungen für die Praxis

Arbeitgeber setzen regelmäßig Videoüberwachung zum Schutz des Unternehmens und seiner Sachwerte ein. In nichtöffentlichen Räumen muss hierfür grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers vorliegen, das das schutzwürdige Interesse der Arbeitnehmer überwiegt.
Bei einer rechtswidrigen Datenerhebung, etwa einer dauerhaften heimlichen Videoüberwachung ohne nachvollziehbaren Zweck, drohen dem Arbeitgeber Sanktionen, insbesondere empfindliche Bußgelder. Daneben stehen mögliche Schadensersatzansprüche der Arbeitnehmer.
Es empfiehlt sich grundsätzlich, die Videoüberwachung am Arbeitsplatz mit den Mitarbeitern und ggf. dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten abzustimmen. In mitbestimmten Betrieben ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beachten.