Aktuell stellen sich angesichts des offenkundig durch eine Bombe im Gepäckraum abgestürzten Flugzeuges viele Urlauber die Frage, ob sie kostenlos ihre geplante Reise auf die Sinai-Halbinsel stornieren können. Zunächst gilt, dass eine Kündigung gemäß § 651j BGB nur im Falle höherer Gewalt möglich ist.

§ 651j Kündigung wegen höherer Gewalt

(1) Wird die Reise infolge bei Vertragsabschluss nicht voraussehbarer höherer Gewalt erheblich erschwert, gefährdet oder beeinträchtigt, so können sowohl der Reiseveranstalter als auch der Reisende den Vertrag allein nach Maßgabe dieser Vorschrift kündigen.

(2) Wird der Vertrag nach Absatz 1 gekündigt, so findet die Vorschrift des § 651e Abs. 3 Satz 1 und 2, Abs. 4 Satz 1 Anwendung. Die Mehrkosten für die Rückbeförderung sind von den Parteien je zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen fallen die Mehrkosten dem Reisenden zur Last.

Voraussetzung für die Annahme höherer Gewalt ist daher u.a. die erhebliche Erschwerung oder Beeinträchtigung der Reise. Dabei kommt es bei der Beurteilung durchaus auf eine Prognose an. Als deutliches Indiz für die Annahme höherer Gewalt werden die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes angesehen. Derzeit liegt –
wie auch bei der Buchung der Reise (!) – lediglich eine Teilreisewarnung für den nördlichen Teil der Sinai-Halbinsel vor. Das Auswärtige Amt kann jedoch kaum die Einzelfallbeurteilung durch ein Gericht ersetzen. Dies gilt erst recht dann, wenn – wie vorliegend – maßgebliche andere Länder die Situation vollständig konträr dazu beurteilen. Auch das Deutsche Bundesverkehrsministerium hat eine Überflugwarnung für den gesamten Sinai ausgesprochen, viele andere Airlines wollen die Halbinsel vorerst umfliegen.

Den weit überwiegenden Anteil der Touristen aus dem Sinai stellt Russland, Quellen sprechen von etwa 2/3. Es folgen Großbritannien, die arabischen Staaten (in ihrer Gesamtheit) und Deutschland. Weitere Länder sind vernachlässigbar. Alle maßgeblichen Länder mit Ausnahme von Deutschland beurteilen die Situation anders als das Auswärtige Amt und organisieren Rückholaktionen, die zu chaotischen Zuständen auf dem einzigen Flughafen auf der Sinai-Halbinsel führen. Nach Einschätzungen russischer Behörden wird sich die Situation hinsichtlich der chaotischen Zustände auf dem Flughafen in Sharm el Sheikh noch mindestens 4 Wochen hinziehen. Es werden aktuell Touristen lediglich mit Handgepäck ausgeflogen, die Koffer sollen irgendwann mit Frachtmaschinen nachgeflogen werden.

Gleichwohl weisen aktuell alle deutschen Reiseveranstalter eine beabsichtigte Kündigung des Reisevertrages nach § 651j BGB zurück, hier ein Auszug aus einem solchen Ablehnungsschreiben:

„Nach Prüfung des Ihrerseits geschilderten Sachverhaltes müssen wir mitteilen, dass wir eine kostenfeie Stornierung der Reise, auch nach Rücksprache mit dem Reiseveranstalter XY, nicht in Aussicht stellen können. Grundsätzlich ist die Kündigung gemäß § 651 j BGB nur dann möglich, wenn ein Fall von höherer Gewalt vorliegt. Voraussetzung hierfür ist die erhebliche Erschwerung, Gefährdung oder Beeinträchtigung der Reise aufgrund eines von außen kommenden, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisenden, auch durch äußerste Sorgfalt nicht abwendbaren Ereignisses, das bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war. Dazu zählen außergewöhnliche Umstände wie Bürgerkriege oder Naturkatastrophen, die die Reiseregion unmittelbar betreffen.

In der Praxis sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ein Indiz für höhere Gewalt. Diese dürfen aber nicht mit den so genannten Sicherheitshinweisen verwechselt werden. Ein Sicherheitshinweis ist lediglich eine Information ohne rechtliche Konsequenz, also auch ohne Folgen für die Buchung bzw. die kostenfreie Stornierung.

Derzeit liegt für das Reiseland Ägypten lediglich eine Teilreisewarnung vor, die sich weiterhin auf Reisen in den Norden der Sinai-Halbinsel und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet bezieht, wie dies auch bereits zum Zeitpunkt der Buchung der Fall war. Wir dürfen Sie in diesem Zusammenhang auf die Homepage des Auswärtigen Amtes verweisen, auf der eine Liste mit den Ländern geführt wird, für die aktuelle Reisewarnungen bestehen.

Lediglich der Flugverkehr von und nach Sharm el-Sheikh wurde vorübergehend eingeschränkt. Wir dürfen anmerken, dass der Reiseveranstalter XY die Lage
ständig beobachtet und bei Änderungen entsprechende Informationen geben wird. Sofern das Auswärtige Amt eine Reisewarnung für das zu bereisende Urlaubsgebiet erteilt, werden entsprechende Umbuchungs- bzw. Stornierungsmöglichkeiten seitens der XY bereit gestellt. Wir bitten jedoch um Verständnis, dass dies aufgrund der aktuellen Situation nicht in Aussicht gestellt werden kann. Sofern Sie nichtsdestotrotz von der Reise zurücktreten wollen, ist entsprechend § 651 ein Rücktrittsauftrag zu erteilen. Derzeit belaufen sich die Gebühren auf 25% des Reisepreises. Diese Stornierungskosten werden ab dem 30. Tag vor Abreise laut der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters XY steigen.

Aktuell besteht kein Kündigungsrecht wegen höherer Gewalt. Aufgrund der anfallenden Kosten bei den Leistungsträgern kann XY auch keine kostenlose Stornierung im Sinne der Kulanz anbieten. Wir bitten hier um Ihr Verständnis, da auch XY als Veranstalter nur im Falle von höherer Gewalt zur Kündigung der Verträge mit seinen Leistungsträgern berechtigt ist. In allen anderen Fällen haben sie ebenfalls Stornokosten an die Leistungsträger zu entrichten.“

Namhafte Reiserechtler teilen diese Auffassung, machen es sich jedoch meines Erachtens dabei zu einfach, allein auf das Vorliegen einer Reisewarnung für das betreffende Zielgebiet des Auswärtigen Amtes abzustellen. Ich erachte es als in der aktuellen Situation, in der weder die näheren Umstände des durch eine Bombe, die offenkundig auf dem Flughafen Sharm el Sheikh an Bord gebracht worden ist, verursachten Flugzeugabsturzes geklärt sind, geschweige denn die möglichen Sicherheitslücken identifiziert und abgestellt sind, für Reisende als gänzlich unzumutbar, die Reise anzutreten. Im Zweifelsfall ist dies eben durch ein Gericht zu klären.

Der auf Ägyptenreisen spezialisierte Reiseveranstalter FTI Touristik bietet allerdings ein sogenanntes „FTI Ägypten sorglos“ Programm an, nachdem z.B. eine auf den Sinai gebuchte Reise problemlos auf ein anderes Zielgebiet umbuchbar ist. Voraussetzung hierfür ist, dass eine neue Flugreise aus dem Pauschalprogramm des Veranstalters gebucht wird. In diesem Falle werden die vollen Stornierungskosten erlassen. Eine kostenfreie Stornierung auf Kulanz ohne Neubuchung ist allerdings nicht möglich.