Nachfolgend ein Beitrag vom 15.11.2017 von Langohr-Plato, jurisPR-ArbR 46/2017 Anm. 5

Leitsatz

Es bedarf eines Kausalzusammenhangs zwischen der Nichtleistung des Versorgungsschuldners im Zeitpunkt seiner Zahlungspflicht und dem später eintretenden Sicherungsfall (BAG, Urt. v. 20.09.2016 – 3 AZR 411/15). Das Bestehen eines solchen Kausalzusammenhangs wurde aufgrund der Umstände des Einzelfalls bejaht.

A. Problemstellung

Das LArbG Köln hatte die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Pensions-Sicherungs-Verein für eine rückständige Versorgungsleistung in Form einer Kapitalzahlung nach den Vorschriften des BetrAVG haftet.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach § 7 Abs. 1a Satz 3 BetrAVG sind rückständige Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch den Pensions-Sicherungs-Verein nur dann insolvenzgeschützt, wenn der Anspruch innerhalb eines Zeitraums von maximal zwölf Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist. Diese Bestimmung ist allerdings nach der Entscheidung des BAG vom 20.09.2016 (3 AZR 411/15) nicht auf als Kapitalleistungen zu gewährende Versorgungsleistungen anwendbar.
Der im Jahr 1949 geborene Kläger war langjährig bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Dort bestand eine Versorgungsordnung, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit oder nach Vollendung des 60. Lebensjahres eine Kapitalleistung vorsah. Der Kläger schied vor der Vollendung seines 60. Lebensjahres vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis aus. Dadurch war die frühere Arbeitgeberin verpflichtet, ihm im Februar 2010 eine Kapitalleistung i.H.v. 28.452,51 Euro brutto zu zahlen. Im September 2011 wurde über das Vermögen der früheren Arbeitgeberin das vorläufige Insolvenzverfahren und erst im Dezember 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Das Landesarbeitsgericht hatte den beklagten Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung zur Zahlung der Kapitalleistung verurteilt. Die Revision des Pensions-Sicherungs-Vereins hatte vor dem BAG Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Zwar haftet der Pensions-Sicherungs-Verein bei Kapitalleistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG auch für zurückliegend entstandene Versorgungsansprüche außerhalb des Zwölf-Monats-Zeitraums. Dies erfordert jedoch nach Ansicht des BAG einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Zahlung und der später eingetretenen Insolvenz des Versorgungsschuldners. Dieser Zusammenhang liege vor, wenn sich der Versorgungsschuldner zum Zeitpunkt seiner Zahlungspflicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Das BAG konnte den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden, da das Landesarbeitsgericht die für die Beurteilung dieser Frage erforderlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hatte.
Mit dem nunmehr vorliegenden Urteil hat das LArbG Köln die vom BAG geforderte Kausalität zwischen der Nichtleistung der Ende Februar 2011 fällig gewordenen Kapitalzahlung und dem späteren Sicherungsfall im konkret zu entscheidenden Fall bejaht.
Für die Eintrittspflicht des beklagten Pensions-Sicherungs-Verein hat es das Landesarbeitsgericht als erforderlich und ausreichend angesehen, dass sich der Versorgungsschuldner zum Zeitpunkt seiner Zahlungspflicht – im Streitfall Ende Februar 2011 – bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden und deshalb die geschuldete Versorgung nicht geleistet hat. Dies habe der Kläger aufgrund der ihm insoweit obliegenden Darlegungs- und Beweislast ebenso nachzuweisen, wie den ebenfalls entscheidungserheblichen Umstand, dass die Nichtleistung auf keinem anderen rechtlich relevanten Umstand beruhe.
Demnach müsse der Versorgungsempfänger zunächst das Vorliegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten behaupten. Soweit nach den Umständen hieran Zweifel bestünden, obliege es ihm, Indiztatsachen vorzutragen, die einen Schluss auf das Vorliegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten im Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung des Versorgungsschuldners zulassen. Anzeichen bestehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten könnten sich etwa aus dem Verhalten der späteren Insolvenzschuldnerin nach der Geltendmachung des Versorgungsanspruchs oder dem Zahlungsverhalten gegenüber dem Anspruchsteller und anderen Versorgungsempfängern und aktiven Arbeitnehmern ergeben. Im Rahmen der erforderlichen Beurteilung könne es auch von Bedeutung sein, wenn die spätere Insolvenzschuldnerin dem geltend gemachten Anspruch mit einer bislang noch nicht herangezogenen Auslegung der Versorgungsordnung entgegentrete und dies auf den Willen schließen lasse, eine Auszahlung der Kapitalleistung zu verzögern. Dies könne naheliegen, wenn die gegen die Forderung vorgebrachten Gründe rechtlich fernliegend seien. Ein Indiz könne ferner darin zu sehen sein, dass Zahlungen nicht oder erst auf eine entsprechende arbeitsgerichtliche Klage hin erfolgen oder der Versorgungsschuldner sich im Prozess gegen die Forderung nicht verteidige. Auch die zeitliche Nähe zu einem Insolvenzantrag könne von Bedeutung sein.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Landesarbeitsgericht vorliegend dem Sachvortrag des Klägers genügend Anhaltspunkte entnehmen können, um eine ausschließlich auf wirtschaftlichen Schwierigkeiten beruhende Nichterbringung der geschuldeten Versorgungsleistung bejahen zu können. Insbesondere das vom Insolvenzgericht beauftragte anwaltliche Gutachten über die Vermögenssituation der Insolvenzschuldnerin habe bereits für die Jahre 2008 und 2009 – und damit für Zeiten vor der Fälligkeit der hier streitigen Versorgungsleistung – eine bilanzielle Überschuldung bestätigt, was vom Landesarbeitsgericht bereits als wesentliches Indiz für das Bestehen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Insolvenzschuldnerin gewertet worden ist. Darüber hinaus war auch das Zahlungsverhalten der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum ab 2009 gegenüber anderen ehemaligen Mitarbeitern, denen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nicht erbracht wurden, sowie ihr weiteres Verhalten im Umgang mit den ihr gegenüber erhobenen Forderungen auf Gewährung betrieblicher Versorgungsleistungen („Verzögerungstaktik“) indiziell für ein durchgängiges Fortbestehen wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Insolvenzschuldnerin im Zeitraum von 2009 bis Ende 2011.
Insbesondere hat es das Landesarbeitsgericht als naheliegend angesehen, dass es ohne die Verzögerungstaktik der Insolvenzschuldnerin ohne größere zeitliche Verzögerung zu einer Inanspruchnahme anwaltlicher oder gewerkschaftlicher Beratung durch die betroffenen Arbeitnehmer und damit auch zu einer zeitnahen gerichtlichen Geltendmachung der Auszahlungsansprüche gekommen wäre. Von daher war vorliegend der vom BAG geforderte Kausalzusammenhang zwischen der Nichtleistung und dem späteren Sicherungsfall zu bejahen.
Andere mögliche Ursachen seien weder vorgetragen worden noch seien solche anderen möglichen Ursachen ersichtlich. Wenn sich der unmittelbare Versorgungsschuldner im Zeitpunkt des Eintritts seiner Zahlungspflicht – wie vorliegend festgestellt – in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinde, sei der durch die Verzögerung der Auszahlung einer Kapitalleistung eintretende Zahlungsausfall die Folge des vom gesetzlichen Insolvenzschutz erfassten Risikos. Im (hier gegebenen) Fall des späteren Eintritts des Sicherungsfalls werde dann regelmäßig von einem Zusammenhang zwischen dem Zahlungsausfall und den vorausgehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten auszugehen sein.

C. Kontext der Entscheidung

Das LArbG Köln setzt mit seinem Urteil die Vorgaben des BAG aus der Entscheidung vom 20.09.2016 (3 AZR 411/15) zur Haftung des Pensions-Sicherungs-Vereins bei rückständigen Kapitalleistungen konsequent um und bestätigt ausdrücklich die BAG-Rechtsprechung zur Nichtanwendbarkeit der Zwölf-Monats-Frist des § 7 Abs. 1a Satz 3 BetrAVG auf Kapitalzahlungen. Damit dürfte die Frage des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift abschließend geklärt sein.

D. Auswirkungen für die Praxis

Auch wenn die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Kapitalzahlungen die Inanspruchnahme des Pensions-Sicherungs-Vereins bei rückständigen Kapitalzahlungen zugunsten der Versorgungsempfänger durch die Nichtanwendbarkeit der Zwölf-Monats-Frist entsprechend erleichtert hat, so ist im Hinblick auf den insoweit geforderten Kausalzusammenhang und die insoweit dem Versorgungsberechtigten obliegende Darlegungs- und Beweislast jeder von einer (möglichen) Insolvenz betroffene Versorgungsempfänger gut beraten, seine diesbezüglichen Ansprüche gegenüber dem Pensions-Sicherungs-Verein frühzeitig geltend zu machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Versorgungsschuldner den Anspruch selbst gar nicht abstreitet, sondern durch erkennbare Verzögerung bei der Abwicklung nur dessen Erfüllung zeitlich hinausschieben will.

Haftung des Pensions-Sicherungs-Vereins bei rückständigen Kapitalleistungen
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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