Nachfolgend ein Beitrag vom 15.11.2018 von Kimpel, jurisPR-VersR 11/2018 Anm. 6
Leitsätze
1. Ein Einbruchdiebstahl im Sinne der VHB 84 setzt – jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs von § 5 Nr. 1 Buchst. c VHB 84 – voraus, dass der Dieb in den Raum eines Gebäudes eindringt und/oder dort eine der näher geregelten Tatbestandsalternativen verwirklicht. Ein im Freien vorübergehend abgestelltes und zu Wohnzwecken genutztes Kraftfahrzeug (Wohnmobil) stellt kein Gebäude in diesem Sinne dar.
2. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB gebietet kein hiervon abweichendes Verständnis.
3. Die Regelung über die Außenversicherung in § 12 Nr. 1 VHB 84 modifiziert nur die vertraglichen Bestimmungen hinsichtlich des Versicherungsorts nach § 10 VHB 84, nicht aber der versicherten Risiken.
A. Problemstellung
Das Risiko, dass ein PKW oder sonstiges Fahrzeug aufgebrochen und dort befindliche Sachen entwendet werden, ist insbesondere auf Reisen nicht zu unterschätzen. Dass für solche Schäden aber nicht generell Versicherungsschutz aus der Hausratversicherung eingreift, bestätigt die vorliegende Entscheidung des OLG Karlsruhe. Zu entscheiden war, ob für Hausrat, der durch Entwendung eines in Italien geparkten VW-Busses abhanden gekommen ist, Entschädigung, insbesondere im Rahmen der Außenversicherung, zu leisten ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Zwischen den Parteien bestand eine Hausratversicherung, der die „Allgemeinen Bedingungen für die Verbundene Hausratversicherung“ der Beklagten (VHB 84) zugrunde lagen. Diese beinhalten u.a. folgende Klauseln:
„§ 3 Versicherte Gefahren und Schäden
Entschädigt werden versicherte Sachen, die durch
(…)
2. Einbruchdiebstahl, Raub oder den Versuch einer solchen Tat,
(…)
zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen.
(…)
§ 5 Einbruchdiebstahl; Raub
1. Einbruchdiebstahl liegt vor, wenn der Dieb
a) in einen Raum eines Gebäudes einbricht, einsteigt oder mit einem falschen Schlüssel oder anderer nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmter Werkzeuge eindringt;
(…)
b) in einem Raum eines Gebäudes ein Behältnis aufbricht oder falsche Schlüssel oder andere nicht zum ordnungsgemäßen Öffnen bestimmte Werkzeuge benutzt, um es zu öffnen;
c) aus der verschlossenen Wohnung Sachen entwendet, nachdem er sich dort eingeschlichen oder sich dort verborgen gehalten hatte;
(…)
§ 10 Versicherungsort
1. Versicherungsschutz besteht für versicherte Sachen innerhalb des Versicherungsortes. (…)
2. Versicherungsort ist die im Versicherungsvertrag bezeichnete Wohnung des Versicherungsnehmers. (…)
(…)
§ 12 Außenversicherung
1. Versicherte Sachen, die Eigentum des Versicherungsnehmers oder einer mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Person sind oder deren Gebrauch dienen, sind innerhalb Europas im geografischem Sinn auch versichert, solange sie sich vorübergehend außerhalb der Wohnung befinden.
(…)
3. Für Sturmschäden besteht Außenversicherungsschutz nur, wenn sich die Sachen in Gebäuden befinden.“
Die Klägerin begehrt Entschädigung von abhanden gekommenem Sport- und Reisegepäck ihres Sohnes und dessen Freundin in Höhe von 9.000 Euro. Diese hätten auf einer Reise den VW-Bus des Ehemannes der Klägerin in einer Straße in Rom abgeschlossen abgestellt, um die Innenstadt zu besichtigen. Bei Rückkehr sei der Bus, der auch zu Wohnzwecken genutzt worden sei, nicht mehr da gewesen. Weiter trug die Klägerin vor, dass der studierende Sohn vorübergehend außerhalb des elterlichen Haushalts in einer Wohngemeinschaft in Bonn lebe.
Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das OLG Karlsruhe hat die Berufung zurückgewiesen.
Ein Versicherungsfall sei nicht gegeben. Ein Einbruchdiebstahl i.S.v. § 3 Nr. 2 Var. 1 VHB 84 scheide auch dann aus, wenn man von dem bestrittenen Vortrag ausgehen würde, der geparkte VW-Bus sei gewaltsam geöffnet und sodann zusammen mit dem darin befindlichen Gepäck gestohlen worden. Von einem Einbruchdiebstahl könne nicht ausgegangen werden, da der vorübergehend im Freien abgestellte VW-Bus kein Gebäude im Sinne der Definition in § 5 Nr. 1 VHB 84 darstelle. Dem Argument der Klägerin, dies sei unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung des strafrechtlichen Wohnungsbegriffs beim besonders schweren Fall des Diebstahls gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB anders zu beurteilen, folgte das OLG Karlsruhe nicht. Zum einen könne schon nicht angenommen werden, dass dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer die Rechtsprechung des BGH zum strafrechtlichen Wohnungsbegriff bekannt sei. Aber selbst, wenn dies der Fall wäre, erlaube zwar der Wortlaut des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, nämlich „Wohnung“, die Subsumtion eines Wohnmobils bzw. -wagens hierunter, nicht aber der Begriff des „Gebäudes“ in § 5 Nr. 1 VHB 84.
Ein Versicherungsfall, so die weitere Urteilsbegründung, folge auch nicht aus der Klausel zur Außenversicherung in § 12 Nr. 1 VHB 84. Diese Regelung erweitere den Versicherungsschutz ausschließlich hinsichtlich des Versicherungsorts, eine Modifizierung der versicherten Gefahr finde hingegen nicht statt. Das heißt, die Definition in § 5 Nr. 1 VHB 84, nach der ein versicherter Einbruchdiebstahl gebäudebezogen ist, also den Einbruch in ein „Gebäude“ voraussetzt, bleibe unberührt. Dass Außenversicherungsschutz nur dann eingreift, wenn versicherte Sachen nach einem Einbruch in ein Gebäude entwendet werden, sei dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar. So würde dieser bei verständiger Würdigung der Versicherungsbedingungen nicht davon ausgehen, dass der Versicherer abweichend von den Regelungen zur versicherten Gefahr in den §§ 3 ff. VHB 84 für jeglichen Schaden aufkommen will, wenn sich die versicherte Sache vorübergehend außerhalb der eigenen Wohnung befunden hat. Bei aufmerksamer Durchsicht sei ersichtlich, dass § 12 Nr. 1 VHB 84 im Sinnzusammenhang mit § 10 VHB 84, der den Versicherungsort als die im Versicherungsvertrag bezeichnete Wohnung des Versicherungsnehmers definiert, steht. Erkennbar sei dies außerdem aufgrund der systematischen Stellung des § 12 VHB 84, nämlich direkt nach den den Versicherungsort betreffenden Klauseln in den §§ 10 und 11 VHB 84.
Aus den vorgenannten Gründen verbleibe auch kein Raum für eine vertretbare andere Auslegung, nach welcher die Außenversicherung nicht gebäudebezogen ist, so dass keine Mehrdeutigkeit der Klausel nach § 305c Abs. 2 BGB festzustellen sei.
Schließlich sei die Regelung über die Außenversicherung in § 12 Nr. 1 VHB 84 auch nicht überraschend i.S.d. § 305c Abs. 1 BGB. Sie sei in systematischer Hinsicht unmittelbar nach den Regelungen über den Versicherungsort platziert, wo sie der durchschnittliche Versicherungsnehmer auch erwarte. Im Übrigen würde die von der Klägerin eingewandte Unwirksamkeit dieser Klausel nicht zur Begründetheit der Klage führen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Annahme des OLG Karlsruhe, dass der VW-Bus als Wohnmobil kein Gebäude im Sinne der vorliegenden Versicherungsbedingungen ist, entspricht der überwiegenden Auffassung (vgl. OLG Köln, Urt. v. 28.11.1991 – 5 U 64/91; Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl. 2004, § 12 VHB 84 Rn. 1; Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 32 Rn. 148).
Diese Auslegung ist überzeugend, denn sie entspricht dem allgemeinen Sprachverständnis, welches für die Frage, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer den Begriff versteht, maßgeblich ist. Das allgemeine Sprachverständnis ist nur dann ausnahmsweise nicht zugrunde zu legen, wenn die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck einen fest umrissenen Begriff verbindet; dann ist anzunehmen, dass auch die Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2016 – IV ZR 245/15). Dass die Rechtssprache unter den Begriff „Gebäude“ auch Wohnmobile bzw. -wagen fassen würde, ist jedoch nicht der Fall. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH, wonach der Tatbestand des besonders schweren Fall des Diebstahls gem. § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB bei Einbruch in ein zu Wohnzwecken genutztes Fahrzeug erfüllt ist. Denn die Strafrechtsnorm spricht von „Wohnung“ und nicht, wie die Regelung in den Versicherungsbedingungen, von „Gebäude“.
Dass ein Versicherungsfall auch nicht aufgrund der Klauseln über die Außenversicherung festzustellen sei, entspricht ebenfalls der nahezu einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. OLG Köln, Urt. v. 28.11.1991 – 5 U 64/91; OLG Stuttgart, Beschl. v. 16.05.2013 – 7 U 83/13; OLG Hamm, Urt. v. 12.07.1991 – 20 U 109/91; LG Hamburg, Urt. v. 14.06.2001 – 332 S 13/01; Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Aufl., G V 17; Prölss/Martin, VVG, § 12 VHB 84 Rn. 1; Rüffer in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, § 32 Rn. 149).
Zu Recht hält das OLG Karlsruhe im Einklang mit dieser Auffassung eine gegenteilige Auslegung, nach der die Außenversicherung unabhängig davon eingreifen würde, ob sich die versicherten Sachen in oder außerhalb eines Gebäudes befunden haben (so die vereinzelt gebliebene Entscheidung LG Hamburg, Urt. v. 07.06.1994 – 309 S 315/93), für nicht vertretbar. Konform mit der Rechtsprechung des BGH legt das OLG Karlsruhe zugrunde, dass sich die Eruierung des maßgeblichen Verständnisses des durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht auf eine bloße Wortlautausdeutung einer einzelnen Bedingungsklausel – hier § 12 Nr. 1 VHB 84 – beschränken darf, sondern stets auch die systematische Stellung einer Klausel zu beachten ist (vgl. BGH, Urt. v. 20.07.2016 – IV ZR 245/15). Vorliegend zeigt die Position von § 12 Nr. 1 VHB 84 im Gesamtsystem des Bedingungswerkes, dass die Regelung ausschließlich die vertraglichen Bestimmungen bezüglich des Versicherungsorts in § 10 VHB 84 modifiziert, nicht aber hinsichtlich der versicherten Gefahr gemäß den §§ 3, 5 VHB 84. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist also erkennbar, dass der Versicherer mit den Regelungen über die Außenversicherung den Versicherungsschutz lediglich insoweit erweitern wollte, als dass der Hausrat auch dann versichert ist, wenn er sich vorübergehend außerhalb der im Versicherungsvertrag festgelegten Wohnung befindet, gleichwohl aber die Merkmale des Versicherungsfalles, vorliegend die in § 5 Nr. 1 Buchst. a VGH 84 definierte Gebäudegebundenheit, hierdurch nicht abbedungen werden sollten.
Allein der Umstand, dass im Wortlaut des § 12 Nr. 1 VHB 84 nicht ausdrücklich aufgeführt ist, dass der Versicherungsschutz nur dann besteht, wenn in ein Gebäude eingebrochen wird, rechtfertigt nicht die Annahme, der Versicherer hätte mit dieser Regelung die Definition der versicherten Gefahr abändern wollen.
Für eine andere Beurteilung kann richtigerweise auch nicht im Wege eines Umkehrschlusses geltend gemacht werden, dass wegen der ausdrücklichen Aufführung der Gebäudegebundenheit im Falle von Sturmschäden in § 12 Nr. 3 VHB 84 diese für die Außenversicherung des Einbruchdiebstahls keine Voraussetzung sei. Dieser Umkehrschluss kann bereits aufgrund der dargelegten systematischen Trennung zwischen der Bestimmung der Umstände des Versicherungsfalles einerseits und des Versicherungsorts andererseits nicht gezogen werden. Die explizite Erwähnung der Gebäudegebundenheit in der Regelung über die Außenversicherung von Sturmschäden ist deshalb notwendig, weil die Sturmschadenversicherung nach § 8 Nr. 3 VHB 84 nicht nur Schäden von Sachen in, sondern auch Schäden an Gebäuden abdeckt, und letztere im Rahmen der Außenversicherung ausgenommen sein sollen.
D. Auswirkungen für die Praxis
Versicherungsnehmer, die häufiger reisen, sollten prüfen, ob ihre Hausratversicherung auch Diebstähle von im Fahrzeug befindlichen Sachen abdeckt. Gerade für Liebhaber von Reisen mit dem Wohnmobil bzw. -wagen, die dort nicht selten wertvolle Gegenstände aufbewahren, gilt es, ein erhebliches finanzielles Risiko abzusichern. Dies zu beachten und solche Deckungslücken zu vermeiden gilt selbstverständlich auch für Versicherungsmakler. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe bestätigt, dass dieser Versicherungsschutz im Rahmen der gängigen Standardbedingungen nicht gewährleistet ist. In der Regel wird die (ggf. nachträgliche) Einbeziehung entsprechender Zusatzklauseln erforderlich sein.
Anderenfalls greift die Versicherung nur dann, wenn das Fahrzeug selbst in einem Gebäude abgestellt wird, wozu auch ein öffentliches Parkhaus zählen dürfte (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.07.1991 – 20 U 109/91).
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