Urteil des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 13.01.2015 (26 U 95/14)


Bei besonders risikoreichen Behandlungen eines Tieres und finanziellen Interessen des Eigentümers müssen Tierärzte den Eigentümer über Risiken einer tierärztlichen Behandlung und über evtl. Behandlungsalternativen aufklären. Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13.01.2015 entschieden und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum bestätigt. Das klagende Ehepaar aus Herning (Dänemark) war Eigentümer eines im Jahr 1999 geborenen Dressurpferdes, das die Eheleute im Jahre 2006 für ca. 300.000 EUR erworben hatten. Im Mai 2008 fiel das Pferd auf einem Turnier in den Niederlanden durch fehlende Elastizität und fehlenden Schwung auf. Die Kläger stellten es daraufhin dem Beklagten Tierarzt aus Bochum vor. Der Beklagte stellte nach einer Röntgenuntersuchung die Verdachtsdiagnose der Ataxie und empfahl eine chiropraktische Maßnahme. Dieser stimmten die Kläger im Rahmen eines Telefonats zu. Zur chiropraktischen Behandlung wurde das Pferd in der Praxis des Beklagten in Kurznarkose gelegt. Nach der Behandlung konnte das Pferd nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später. Mit der Begründung, das Pferd sei vom Beklagten unzureichend untersucht und falsch behandelt worden sowie unter Hinweis auf eine nach ihrer Darstellung unzureichende Aufklärung über Risiken und Behandlungsalternativen, haben die Kläger vom Beklagten Schadensersatz für den Verlust des Tieres in Höhe von ca. 500.000 EUR verlangt.

Die Schadensersatzklage hatte dem Grunde nach Erfolg. Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat das Grundurteil des Landgerichts Bochum bestätigt, so dass nunmehr die konkrete Schadenshöhe in dem vor dem Landgericht Bochum fortzusetzenden Zivilprozess zu klären sein wird. Der Beklagte hafte – so der 26. Zivilsenat – aufgrund eines Aufklärungsfehlers. Die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung sei zwar nicht mit der in der Humanmedizin zum Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten gebotenen Aufklärung zu vergleichen. Ein Tierarzt habe aber eine vertragliche Aufklärungspflicht und Beratungspflicht. Bei besonders risikoreichen Behandlungen und auch finanziellen Eigentümerinteressen müsse der Tierarzt den Eigentümer über die Risiken der Behandlung und über andere Behandlungsmöglichkeiten aufklären. Der beklagte Tierarzt habe es versäumt, die Kläger ausreichend über Risiken und weitere Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären. Nach der Darstellung des tiermedizinischen Sachverständigen sei eine Vollnarkose bei einem ataktischen Pferd mit besonderen Risiken verbunden, weil die Tiere beim Aufstehen besondere Koordinierungsschwierigkeiten hätten. Darüber hinaus habe es andere Behandlungsmöglichkeiten in Form einer operativen, medikamentösen oder chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd gegeben, auf die die Eigentümer hätten hingewiesen werden müssen. Im vorliegenden Fall sei es Sache der Eigentümer gewesen, sich zwischen einer schnelleren, risikobehafteten Behandlung mittels eines unter Narkose ausgeführten chiropraktischen Eingriffs und einer länger dauernden, dafür aber risikoloseren Behandlungen, z.B. mittels Medikamenten, zu entscheiden. Es sei auch nicht festzustellen, dass die Kläger bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die vom Beklagten durchgeführte Behandlung eingewilligt hätten. Die Angabe der Kläger, sie hätten in diesem Fall zunächst einen Tierarzt ihres Vertrauens in Dänemark konsultiert, sei nachvollziehbar, zumal sie vor der Behandlung durch den Beklagten von einer eher kleineren gesundheitlichen Beeinträchtigung bei dem Pferd ausgegangen seien.

Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

06. März 2015 (Pressemitteilung aus dem Pressegespräch vom 03.03.2015)

Tierärzte haben eine vertragliche Aufklärungspflicht
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