Das OLG Frankfurt hat im Zusammenhang mit mangelhaften PIP-Brustimplantaten den EuGH um Klärung der Frage gebeten, ob das unionsrechtliche Verbot einer Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private bindet.

Sollten auch Private dem Diskriminierungsverbot unterliegen, könne ein Haftpflichtversicherer seinen Deckungsschutz im Zusammenhang mit mangelhaften PIP-Brustimplantaten nicht wirksam auf Schadensfälle in Frankreich beschränken, so das Oberlandesgericht.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz in Zusammenhang mit mangelhaften Brustimplantaten in Anspruch. Ihr waren im Jahr 2006 in Deutschland Brustimplantate eingesetzt worden. Diese Produkte der französischen Herstellerin PIP waren mit nicht zugelassenem Industriesilikon gefüllt. Die Herstellerin ist bei der Beklagten haftpflichtversichert. In den Versicherungsbedingungen heißt es u.a., dass Versicherungsschutz geographisch „ausschließlich für Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten“, gewährt werde. Zudem bestehen für sog. Serienschäden Deckungshöchstsummen pro Schadensfall und pro Versicherungsjahr.
Das Deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt seit 2012 die komplette Entfernung dieser Implantate. Die Klägerin ließ ihre Implantate entsprechend austauschen.
Das Landgericht hatte ihre Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt sie diese Ansprüche weiter.

Das OLG Frankfurt hat den EuGH die Frage vorgelegt, ob das Diskriminierungsverbot in Art. 18 Abs. 1 AEUV nicht nur die EU-Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, sondern auch Private – wie hier die Beklagte – verpflichtet.

Das Oberlandesgericht geht dabei davon aus, dass auf den Rechtsstreit französisches Recht anwendbar sei, da die Herstellerin in Frankreich gehandelt habe. Fraglich sei, ob die hier einbezogenen Vertragsbedingungen hinsichtlich der Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle im Frankreich mit dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot des Art. 18 Abs. 1 AEUV vereinbar sei. Unmittelbare oder mittelbare Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit seien nach Art. 18 Abs. 1 AEUV verboten. Es liege auf der Hand, dass die geschilderte Beschränkung des Deckungsschutzes auf Schadensfälle, die im metropolitanen Frankreich und in den französischen Überseegebieten eintreten, eine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit darstelle, weil davon typischerweise nichtfranzösische Patientinnen betroffen seien, so das Oberlandesgericht.

Ungeklärt sei jedoch, ob das Diskriminierungsverbot nicht nur von den EU-Mitgliedstaaten und den Unionsorgane, sondern auch von Privaten wie der Beklagten zu beachten sei. Der EuGH habe dies bislang nicht entschieden. Die bisherigen Urteile des EuGH legten es aber nahe, dass auch private Personen das Diskriminierungsverbot einzuhalten haben. Sollte es sich um eine unzulässige mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit handeln, bestünden auch keine Rechtfertigungsgründe für dieses Verhalten. Entgegen der in der Rechtsprechung teilweise vertretenen Ansicht könne sich die Beklagte nicht darauf berufen, mit der geographischen Einschränkung den Umfang ihrer Einstandspflicht und damit ihr wirtschaftliches Risiko in verständlicher Weise zu begrenzen. Diese Argumentation sei bereits deshalb nicht stichhaltig, da die Beklagte ihr wirtschaftliches Risiko durch Deckungshöchstsummen für den Einzelfall und pro Jahr klar eingegrenzt habe.

Hinweis des Gerichts: Das OLG Frankfurt ist das erste Obergericht, welches im Zusammenhang mit der Frage der Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers der mangelhaften PIP-Brustimplantate den EuGH anruft. Andere deutsche Instanzgerichte haben entsprechende Klagen bislang – soweit ersichtlich – durchweg abgewiesen.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt Nr. 36/2018 v. 11.09.2018

EuGH-Vorlage zur Einstandspflicht des Haftpflichtversicherers mangelhafter PIP-Brustimplantate
Birgit OehlmannRechtsanwältin

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