Nachfolgend ein Beitrag vom 3.12.2018 von Cranshaw, jurisPR-InsR 24/2018 Anm. 1

Leitsatz

Die Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 894 Satz 1 ZPO ersetzt nicht die nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO erforderliche Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Auch bei einer Versicherung für fremde Rechnung (§§ 43 Abs. 1, 44 Abs. 1 Satz 1 VVG) bedarf es trotz einer rechtskräftigen Verurteilung des Versicherungsnehmers auf Übertragung des Rechts auf die Versicherungsleistungen auf den Versicherten bei einer Anordnung gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers und trotz der Regelung des § 894 ZPO der gesonderten Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zur Übertragung der Ansprüche auf die Versicherungsleistung.

A. Problemstellung

Der u.a. für das Versicherungsrecht zuständige IV. Zivilsenat des BGH hatte sich mit einem typischen Problemfeld der Versorgungsansprüche von Gesellschafter-Geschäftsführern auseinanderzusetzen, wenn diese durch eine private Versicherung sichergestellt werden sollen. Versicherungsnehmer ist in diesen Fällen regelmäßig die Gesellschaft, versicherte Person aber der Geschäftsführer, dem die Versicherungsleistungen im Versorgungsfall zustehen sollen. Eine Konkurrenzsituation der Beteiligten entsteht in der Insolvenz der Gesellschaft, wenn der Insolvenzverwalter die Leistungen der Versicherung zur Masse fordert. Nach ihrer Typologie kann die Versicherung eine solche für fremde Rechnung sein (§ 43 Abs. 1 VVG), also zugunsten des Versorgungsberechtigten, aber auch eine solche auf eigene Rechnung mit der Fiktion des § 43 Abs. 3 VVG hierfür bei Unklarheit, ob eine fremdnützige Versicherung abgeschlossen werden sollte. Diese Differenzierung ist im Insolvenzfall des Versicherungsnehmers für den Versicherten dramatisch mit potentiell vollständigem Anspruchsverlust verbunden. Der vorliegende Fall zeigt dieses Resultat aber nur mittelbar.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Der Insolvenzverwalter einer GmbH fordert von der beklagten Versicherung Leistungen aus einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ) zur Masse, die die GmbH für ihren Geschäftsführer für den Zeitraum November 2006 bis November 2029 abgeschlossen hatte. Seit dem 01.08.2010, dem Eintritt der Versicherungsfalls, d.h. der Berufsunfähigkeit des Geschäftsführers, zahlt die Versicherung an die Gesellschaft, die den Versicherungsschein in Händen hat, eine Berufsunfähigkeitsrente von 14.000 Euro jährlich; ob diese sie zunächst an den Geschäftsführer und Versorgungsberechtigten ausbezahlt hat, bleibt offen. Die GmbH wurde jedenfalls im Juli 2012 erstinstanzlich verurteilt, der „Übertragung des Bezugsrechts aller Leistungen“ auf den Geschäftsführer als versicherte Person zuzustimmen. Die Berufung gegen dieses Urteil, das rechtskräftig wurde, blieb erfolglos; die Entscheidung des Berufungsgerichts wurde der GmbH und Schuldnerin im Februar 2013 zugestellt. Zuvor, am 23.01.2013, war der spätere Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden mit der Maßgabe, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam seien. Am 01.04.2013 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der spätere Kläger teilte der Versicherung umgehend nach Zustellung der Berufungsentscheidung mit, er stimme der Übertragung der Rechte aus der Versicherung auf den Geschäftsführer als versicherte Person nicht zu. Die Versicherung zahlte nach Insolvenzeröffnung die Leistungen dennoch an den Versicherten aus.
Die Klage des Verwalters gegen die Versicherung auf Zahlung der fälligen Versicherungsleistungen an ihn zur Masse war beim LG Wiesbaden erfolgreich. Auf Berufung der Versicherung hat das OLG Frankfurt die Klage abgewiesen. Die Revision des Insolvenzverwalters gegen diese Entscheidung war ganz weitgehend erfolgreich.
II. Der BGH hat die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil bis auf bestimmte Zinsansprüche zurückgewiesen und insoweit das landgerichtliche Urteil wiederhergestellt.
Das Berufungsgericht hatte seine Entscheidung im Kern damit begründet, der Kläger sei zwar aktivlegitimiert, denn die GmbH habe eine Versicherung auf fremde Rechnung abgeschlossen, über die sie zwar verfügen könne (§§ 43, 44, 45 VVG); dieses Recht sei nach § 80 InsO auf den Verwalter übergegangen. Die Verfolgung der Ansprüche aus dieser Versicherung sei aber treuwidrig nach § 242 BGB, denn dem versicherten Geschäftsführer stehe ein Aussonderungsrecht an den Ansprüchen gegen die Versicherung zu. Diese sei ihrerseits mit der Auszahlung an den Versicherten einverstanden. Auf die weiteren Erwägungen des Berufungsgerichts außerhalb der ratio decidendi ist nicht weiter einzugehen. Der Kläger übe, so das dortige Fazit, eine „formale Rechtsposition […] treuwidrig“ aus.
Der BGH mochte dieser Betrachtung nicht uneingeschränkt folgen. Zunächst stimmt der Senat jedoch dem Berufungsgericht im Hinblick auf die Bejahung der Aktivlegitimation des Klägers zu. Bei der hier (ggf.) zu bejahenden Versicherung für fremde Rechnung stehe dem Versicherungsnehmer die Verfügungsbefugnis zu und somit auch dem Insolvenzverwalter desselben. Werde kein Bezugsberechtigter genannt – wie hier – und werde die Versicherung als Versicherung in eigener Rechnung mit einem Dritten als „Gefahrsperson“ vereinbart, dann stehe dem Versicherungsnehmer, also der GmbH, auch der materiell-rechtliche Anspruch auf die Versicherungsleistung zu. Die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG gälten auch im Insolvenzfall und würden von § 80 InsO umfasst.
Die Rechtskraft des Urteils, das die GmbH zur Zustimmung zur Übertragung der Versicherungsleistungen auf den Versicherten verurteile, ändere an der Aktivlegitimation des Insolvenzverwalters nichts, auch wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherten die Verfügung über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag übertragen oder ihm ein Bezugsrecht (§ 159 VVG) einräumen könne. Vorliegend scheitere aber die Einräumung der Verfügungsbefugnis an den §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 Satz 1 InsO aufgrund des vom Insolvenzgericht angeordneten Zustimmungsvorbehalts gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO. Nach der Judikatur des BGH sei der Begriff der Verfügung in dieser Norm deckungsgleich mit dem Verständnis des Zivilrechts und umfasse die unmittelbare Begründung, Übertragung, Belastung, Aufhebung oder sonstige inhaltliche Änderung eines Rechts. Zwar gehe es vorliegend nicht um den „Verfügungserfolg“, sondern die „Verfügungshandlung“ – und eine solche Handlung der Schuldnerin liege nicht vor. § 894 ZPO, die hier einschlägige Norm der Vollstreckung eines Urteils zur Abgabe einer Willenserklärung, fingiere zwar die Abgabe einer Erklärung, sie ersetze aber nicht die notwendigen weiteren Voraussetzungen der Wirksamkeit der Willenserklärung bzw. der „Vollendung des Rechtsgeschäfts“. So seien etwa notwendige Genehmigungen weiterhin erforderlich. Das Argument, § 894 Satz 1 ZPO ersetze familien- bzw. betreuungsgerichtliche Genehmigungen, gelte nicht für den insolvenzrechtlichen Zustimmungsvorbehalt in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO. Dem stehe der Gedanke des Gläubigerschutzes entgegen, denn der Zustimmungsvorbehalt wolle im Interesse der Gläubigergesamtheit nachteilige Veränderungen des Schuldnervermögens im Eröffnungsverfahren unterbinden. Da die Verfügungsbefugnis des Versicherungsnehmers nach § 45 Abs. 2 VVG zur Masse gehöre, sei der Schutzzweck der Norm zum Zustimmungsvorbehalt betroffen. Dies gelte unabhängig davon, wem die Versicherungsleistung nach dem Innenverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versichertem materiell zustehe.
Die Ansprüche auf die bereits bezahlten Beträge standen dem Versicherten nicht zu; die Ansprüche seien daher mit dem Berufungsgericht nicht nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
Das Begehren des Klägers sei auch nicht treuwidrig, denn entweder stehe der Versicherungsanspruch der Masse zu (bei der Versicherung auf eigene Rechnung) oder jedenfalls die Verfügungsbefugnis über diese Ansprüche, wenn sie auch materiell der versicherten Person (bei der Versicherung für fremde Rechnung) zustünden. Die treuwidrige weil rechtsmissbräuchliche Ausnutzung einer Rechtsposition bedürfe im Allgemeinen einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung, die der Überprüfung durch das Revisionsgericht nur eingeschränkt zugänglich sei. Die Revisionsinstanz könne nur Verstöße gegen „Denkgesetze“ oder „Erfahrungssätze“ oder einen „falschen Bewertungsmaßstab“ berücksichtigen. Danach habe der Kläger hier nicht treuwidrig gehandelt, auch soweit er die Zahlung künftiger Leistungen aus der Versicherung an sich verlange, obwohl er bei der Versicherung für fremde Rechnung die Leistungen an den Versicherten herausgeben muss. Es wäre ein Widerspruch, dem Versicherungsnehmer zum einen in § 45 VVG die Verfügungsbefugnis einzuräumen, um ihm dann bei Geltendmachung dieses Rechts Treuwidrigkeit anzulasten. Soweit die Beklagte Leistungen an den Versicherten erbracht habe, handele der Kläger mit dem Begehren nach Zahlung an ihn ebenfalls nicht treuwidrig. Er habe die Beklagte mehrfach aufgefordert, an ihn auf ein Insolvenzanderkonto zu zahlen; diesem Begehren sei sie nicht nachgekommen. Die Rückabwicklung der Zahlungen der Beklagten an den Versicherten stelle kein treuwidriges Verhalten des Klägers dar.
Auf die rechtlich überschießende und abgewiesene Zinsforderung des Insolvenzverwalters (8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) ist nicht weiter einzugehen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Liest man die Entscheidung isoliert ohne den weitergehenden Hintergrund zu beachten, so könnte man den Eindruck gewinnen, der Verwalter habe hier der Durchsetzung des abstrakten Anspruchs halber prozessiert. Er setze zudem den Versicherten der Rückhaftung der erhaltenen Beträge aus, worauf das Berufungsgericht bereits hingewiesen hatte; der BGH wiederholt das am Ende seiner Entscheidung. Dabei handelt es sich um einen Fall der Leistungskondiktion zwischen der Versicherungsgesellschaft und dem Versicherten (§ 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB). Dies, obwohl der Versicherte bei einer Versicherung für fremde Rechnung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VVG), die hier nach dem Verdikt des BGH vom Berufungsgericht nicht anhand von Tatsachen festgestellt, sondern nur angenommen wurde, Inhaber des materiellen Anspruchs aus dem Versicherungsvertrag ist (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VVG). Der Gesetzgeber hat aber mehrere Hürden für den Versicherten im Verhältnis zum Versicherungsnehmer errichtet. Er kann nämlich die Rechte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur durchsetzen, wenn er den Versicherungsschein in Händen hat (§ 44 Abs. 2 VVG), und nur der Versicherungsnehmer kann die „Übermittlung des Versicherungsscheins“ verlangen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 VVG). Diese Rechtslage entspricht derjenigen vor der Reform des VVG, die mit dem Regierungsentwurf vom 20.12.2006 angestoßen wurde (vgl. BT-Drs. 16/3945, S. 15, 72 f.). Ferner hat der Versicherungsnehmer nach § 46 VVG wegen eigener Ansprüche gegen den Versicherten Zurückbehaltungsrechte bzw. die Befugnis zur Aufrechnung.
II. Betrachtet man die vom BGH und dem Berufungsgericht zugrunde gelegte Rechtslage an der Schnittstelle zwischen den §§ 43 ff. VVG, den §§ 21, 24, 81, 80 InsO sowie § 894 ZPO, so wird man der Entscheidung des BGH zustimmen. Dies gilt gerade auch für die Auslegung der Tragweite des § 894 ZPO. Der Senat hat sich zu diesen Fragen mit Literatur und Rechtsprechung auseinandergesetzt. Die Rechtskraft einer Entscheidung mit Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung fingiert deren formgerechte Abgabe durch den Verpflichteten, nicht jedoch bestimmte weitere Voraussetzungen ihrer Wirksamkeit, wie etwa Genehmigungen eines Dritten (vgl. nur Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Aufl. 2018, § 894 Rn. 9). Die Anordnung des Zustimmungsvorbehalts nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO kann nicht durch die Verurteilung des Schuldners zur Abgabe einer Willenserklärung überwunden werden, da dies die Sicherung der Masse, das Ziel des § 21 InsO, zunichte machen würde.
Ob nach der vorliegenden Entscheidung die Judikatur des BayObLG (MDR 1953, 561, zitiert in Rn. 23 des Besprechungsurteils m.w.N.) und die dahingehende Literaturmeinung, § 894 Satz 1 ZPO fingiere auch die Genehmigung durch Familien- und Betreuungsgerichte, noch aufrechterhalten werden kann, erscheint fraglich, wenn auch der BGH insoweit nur geäußert hat, man müsse zwischen dieser Konstellation und § 21 InsO unterscheiden (vgl. dazu auch Baumert, EWiR 2018, 531, zu dem Besprechungsurteil).
III. Das Verhältnis zwischen Versicherung und insolventem Versicherungsnehmer hat der BGH im Sinne der bisherigen Judikatur geklärt bzw. bestätigt. Da nicht Streitgegenstand, hatte der Senat das Rechtsverhältnis zwischen dem Versorgungsempfänger, der Leistungen wegen Berufsunfähigkeit von der früheren Anstellungskörperschaft, der GmbH, erhält, indes nicht zu beurteilen. Gegen diese hat der Versicherte hier zunächst unstreitig Ansprüche in Höhe der fraglichen 14.000 Euro jährlich auf Versorgung. Wirtschaftlich sind das Ansprüche aus einer Direktversorgungszusage. Dem mögen Gegenansprüche der Masse gegenüberstehen.
IV. Es stellt sich dabei aber zunächst die Frage, welche Qualität die Forderung des versorgungsberechtigten Organs gegen die GmbH bei der vorliegenden Fallkonstellation hat. In der Insolvenz der Gesellschaft stehen dem Versorgungsempfänger bei der Versicherung für fremde Rechnung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 VVG), auch wenn er nicht den Versicherungsschein hat, Aussonderungsrechte an den Versicherungsleistungen zu (§ 47 InsO; vgl. bereits BGH, Urt. v. 28.10.1953 – II ZR 240/52 – BGHZ 10, 376 ff., Ls. 2, S. 384). Vom Verwalter eingezogene Beträge unterliegen der Ersatzaussonderung, wenn die Leistung noch unterscheidbar entsprechend § 48 Satz 2 InsO in der Masse vorhanden ist (vgl. Ganter in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 47 Rn. 311 ff.). Bei Einziehung auf ein geeignetes Insolvenzverwaltertreuhandkonto ist die Unterscheidbarkeit gewahrt. Ist dies nicht der Fall, stehen dem Berechtigten bei Einziehung der Versicherungsleistung durch den Insolvenzverwalter gegen die Masse Ansprüche aus Masseverbindlichkeiten zu, in der Literatur nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 InsO (Brinkmann in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, 14. Aufl. 2015, § 47 Rn. 107). Vorzug verdient bei systematischer Betrachtung die Annahme einer durch die Einziehung bedingten ungerechtfertigten Bereicherung der Masse, § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO (so im Ergebnis Ganter in: MünchKomm InsO, § 47 Rn. 314). Erfolgt die Einziehung durch den Schuldner (oder den vorläufigen Insolvenzverwalter) im Eröffnungsverfahren, hat der Versicherte nur eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO (Brinkmann in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 47 Rn. 107; Ganter in: MünchKomm InsO, § 47 Rn. 314).
V. Die Motivation für den Insolvenzverwalter, die Versicherungsleistung zur Masse zu ziehen und den Streit mit der Versicherung und dem Versicherten zu suchen, liegt bei der Fremdversicherung in der Regelung des § 46 VVG. Danach kann der Versicherungsnehmer sich wegen seiner Ansprüche gegen den Versicherten aus der Versicherungsleistung befriedigen oder aufrechnen; dass im vorliegenden Rechtsstreit solche Ansprüche nicht ersichtlich waren, hat das Berufungsgericht zu der Folgerung geführt, angesichts des Treuhandcharakters der Versicherungsleistungen im Verhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Kläger als deren Insolvenzverwalter und dem Versicherten sei die Klage treuwidrig. Solche Ansprüche können aus dem Innenverhältnis zu einem Gesellschafter-Geschäftsführer unter einer Reihe von Gesichtspunkten resultieren. Im Rechtsstreit gegen die Versicherung aus dem Versicherungsverhältnis spielen sie aber keine Rolle, da eben nicht streitgegenständlich.
Eine weitere Erwägung des Insolvenzverwalters, gegen den Versicherer vorzugehen, kann bestehen, wenn wie hier unklar ist, ob eine Versicherung für fremde oder für eigene Rechnung abgeschlossen wurde. Bei der Versicherung auf eigene Rechnung (vgl. § 43 Abs. 3 VVG) stehen der „Gefahrsperson“ (Rn. 14 des Besprechungsurteils) von vornherein keine Aussonderungsansprüche an der Versicherungsleistung zu.
VI. Soweit Gegenansprüche des Versicherungsnehmers gegen den Versicherten bei der vom Berufungsgericht angenommenen Fremdversicherung zugunsten Dritter bestehen, kann deren Durchsetzung ggf. dennoch ausgeschlossen sein. Der Aufrechnung kann § 394 BGB i.V.m. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO entgegenstehen, denn die Leistung aus einer BUZ gehört zu den nur wie Arbeitseinkommen – und auch insoweit nur beschränkt – pfändbaren Bezügen (§ 850b Abs. 2 ZPO; zur BUZ vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, § 850b Rn. 7a m.w.N.). Auch das Zurückbehaltungsrecht am Versicherungsschein gemäß § 46 Satz 1 VVG (vgl. Brinkmann in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO, § 47 Rn. 107) nutzt dem Versicherungsnehmer wenig, da das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB bei einer solchen Konstellation wie eine Aufrechnung wirken und daher gegen § 394 BGB verstoßen würde (vgl. Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, § 273 Rn. 14 m.w.N.).
VII. Aufgrund der vorliegenden Entscheidung, die der bisherigen Judikatur entspricht, ist der Versicherte dem Kondiktionsanspruch der Versicherung ausgesetzt (vgl. o. sowie OLG Köln, Urt. v. 05.12.2014 – I-20 U 100/14 – VersR 2015, 1155, siehe dazu Flöther/Pfotenhauer, jurisPR-InsR 6/2015 Anm. 2).
Hat der Versorgungsberechtigte Leistungen aus der Versicherung innerhalb des Insolvenzanfechtungszeitraums empfangen, besteht dennoch kein Anspruch aus Insolvenzanfechtung gegen ihn, wenn die Versicherung für fremde Rechnung abgeschlossen wurde. Das bestehende Aussonderungsrecht (vgl. o. unter C. IV.) schließt eine Gläubigerbenachteiligung aus (wohl a.A. Flöther/Pfotenhauer, jurisPR-InsR 6/2015 Anm. 2, unter D.). Wie das Besprechungsurteil zeigt, schließt das aber nicht gleichzeitig die Klage gegen die Versicherungsgesellschaft aus.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Besprechungsentscheidung verdeutlicht, dass die Versorgungsansprüche aus einer BUZ oder einer Altersvorsorgeversicherung auf der Basis privater Versicherungen, die der Dienstgeber als Versicherungsnehmer abschließt, bei Konstellationen wie im vorliegenden Fall fragil sind. In der Insolvenz des Verpflichteten muss die versicherte Person, der „Versorgungsempfänger“, zunächst die Schwelle überwinden, ob die Versicherung tatsächlich für fremde Rechnung abgeschlossen worden ist oder nicht; § 43 Abs. 3 VVG weist deutlich auf die Risiken für den Versorgungsempfänger hin, wenn Unklarheiten bleiben.
II. Ohne den Versicherungsschein kann der Versicherte die Rechte auch bei der Versicherung für fremde Rechnung und trotz seines dortigen Aussonderungsrechts in dem Rechtsverhältnis zum versorgungspflichtigen Unternehmen gegenüber der Versicherung aus dem Versicherungsverhältnis nicht geltend machen, § 44 Abs. 2 VVG. Der Insolvenzverwalter kann die Ansprüche aus der Versicherung an sich ziehen. Leistet die Versicherung vor Insolvenzeröffnung, aber nach Antragstellung an das empfangsberechtigte Schuldnerunternehmen und leitet dieses die Leistungen nicht (mehr) weiter, steht dem Versorgungsempfänger nur eine Insolvenzforderung zu (vgl. o. unter C. IV. a.E.). Dabei ist dieses Procedere der verbreitete Weg; das Unternehmen erbringt die Versorgungsleistung und erhält in entsprechender Höhe die Versicherungsleistung, die es entweder „weiterleitet“ bzw. (wohl richtiger) gegen seine Zahlungen nach § 46 VVG aufrechnet; dieser Vorgehensweise steht § 394 BGB nicht entgegen. Fordert der vorläufige Insolvenzverwalter die Zahlung an sich nach Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts, wird man allerdings fordern, dass er die eingezogenen Beträge separiert (in entsprechender Heranziehung der Erwägungen des BGH zu Absonderungsrechten in dem Urteil „Mutter-Kind-Kuren“, BGH, Urt. v. 21.01.2010 – IX ZR 65/09 – BGHZ 184, 101).
III. Sicherheit erlangt der Versorgungsberechtigte letztlich nur, wenn er Inhaber eines unwiderruflichen Bezugsrechts im Hinblick auf die Versicherung geworden ist, das seinerseits insolvenzanfechtungsrechtlich unbedenklich begründet worden sein muss (Ganter in: MünchKomm InsO, § 47 Rn. 320 f., dort zu den verbreiteten Vorbehalten bei Zusagen). Vorbehalte bei den Zusagen und Erwägungen zu § 46 VVG dürften auch der Grund sein, dem Versorgungsberechtigten den Versicherungsschein nicht auszuhändigen oder auch, das eigentlich „unwiderruflich“ konzipierte Bezugsrecht unter bestimmten Bedingungen doch wieder widerruflich zu gestalten (vgl. dazu grundsätzlich BAG, Urt. v. 15.06.2010 – 3 AZR 334/06 – BAGE 134, 372 = ZInsO 2011, 185; zum Geschäftsführer der GmbH vgl. BGH, Urt. v. 09.10.2014 – IX ZR 41/14 – DZWIR 2015, 91).
Für die hier relevante Gruppe von versorgungsberechtigten Organmitgliedern sind diese Differenzierungen von erheblicher Bedeutung, da ihre „betriebliche“ Alters- und Berufsunfähigkeitsversorgung regelmäßig nicht durch das BetrAVG gesichert wird (vgl. dazu Steinmeyer in: ErfKomm, 16. Aufl. 2016, § 17 BetrAVG Rn. 4 ff., 9 ff.).
IV. (Vorläufige) Insolvenzverwalter werden daher sorgfältig prüfen, wem Ansprüche aus derartigen Versicherungsverträgen zustehen, bei Versicherungen für fremde Rechnung, ob Gegenansprüche bestehen. Ist der Inhaber der Versorgungszusage zugleich Bezugsberechtigter, wird die Art und die Reichweite einer Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts zu prüfen sein (so im Ergebnis zur Prüfung der versicherungsrechtlichen Lage auch Flöther/Pfotenhauer, jurisPR-InsR 6/2015 Anm. 2, unter D.).

Zustimmungserfordernis gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO bei Verurteilung des Versicherungsnehmers zur Übertragung der Versicherungsansprüche aus „fremdnütziger“ Versicherung
Andrea KahleRechtsanwältin

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